Mein neues Spielzeug, eine CNC-Fräse LCF-1 steht im Keller und harrt der Dinge, die da zu fräsen sein werden...
Der Weg vom “fast fertig” Mechanik-Bausatz zum funktionierenden Werkzeug ist hier beschrieben.
Als Zuhause für die komplette Elektrik und Elektronik sowie für den Steuerrechner habe ich ein Midi-Tower-Gehäuse plus Netzteil besorgt. Damit alle Teile der Fräsen-Ansteuerung Platz im Gehäuse finden, muss das Motherboard vom Typ Mini ITX sein.
Zuerst werden alle Teile für die Ansteuerung der Fräse eingebaut, da dieses Unterfangen mit Bohren und Feilen einher geht. Da würde ein bereits eingebautes Motherboard Gefahr laufen mit Eisenspänen beworfen zu werden.
Hier das Stepper-Netzteil, die drei Endstufen sowie die Interface-Platine. Der rote Netzschalter schaltet alle Teile der Fräsensteuerung zweipolig ab, der Rechner läuft dabei weiter.
Zusätzlich ist in Serie mit dem Netzschalter ein Notaus-Schalter oben auf dem Deckel des Rechnergehäuses vorhanden der ebenfalls zweipolig trennt. Später habe ich noch drei weitere Kippschalter in den Strompfad gesetzt um das Netzteil der Stepper-Motoren, die Kühlwasserpumpe und die Spindelsteuerung getrennt voneinander einschalten zu können. Die Notwendigkeit hierzu ergab sich im Laufe der Tests für die Joystick-Steuerung. Der Lüfter des Inverters und die Wasserpumpe sind sehr laut und wenn man diese beiden Funktionsgruppen nicht benötigt ist es sehr angenehm, wenn man sie abschalten kann.
Die Steuerung für die Spindel (Inverter) passt wunderbar in den ausgeräumten Laufwerkskäfig des Rechners. Zur Befestigung habe ich einen Alu-Winkel am hinteren Ende des Käfigs angeschraubt.
Die Frässpindel ist eine wassergekühlte Version, weshalb ein 60 Liter Plastikfass mit Aquariumpumpe unter dem Tisch aufgebaut wird. Hier ist die Fräse schon fast fertig aufgebaut und steht an ihrem vorgesehenen Platz:
Aktualisierung
Die in dem Fass versenkte Eheim Aquariumpumpe hat seit jetzt ziemlich genau 8 Jahren ihren Dienst unauffällig versehen.
Die Tage allerdings, hatte ich den Eindruck, dass die Luftbläschen, die in der Leitung direkt nach dem Start der Pumpe zu beobachten sind, nur noch müde kriechen und nicht, wie gewohnt durch den Schlauch sausen. Ein Blick in das Fass zeigt tatsächlich, dass der Rücklauf nur noch müde tröpfelt. Also scheint der Schlauch irgendwo verstopft zu sein. Mein Plan, den Weg des Wassers mittels eines kleinen Kompressors wieder frei zu pusten, ging auf. Allerdings ist die Pumpe danach nicht wieder von alleine angelaufen, ich musste ein bisschen am Kabel ruckeln, um sie zu starten. Das kann so natürlich nicht bleiben.
Um die Pumpe näher in Augenschein nehmen zu können, habe ich sie am Kabel aus dem Fass gezogen und staunte nicht schlecht, als ich nur den Motorteil der Pumpe in der Hand hatte.
Der Schlauch mit dem Oberteil der Pumpe blieb im Fass.
Der im Bild oben sichtbare Schlitz am linken Ende des Deckels hat eine Entsprechung am anderen Ende des Deckels. Diese beiden Öffnungen rasten in zwei winzige Nasen am Motorteil der Pumpe und halten das Ganze zusammen. Ich vermute, der Luftdruck des Kompressors hat die beiden Pumpenhälften auf einer Seite aus der Verriegelung gedrückt, so dass der Läufer nicht mehr richtig auf beiden Seiten gelagert war und somit klemmte.
Nach dem ordentlichen Zusammenbau der Pumpe läuft sie wieder wie eh und je. Bei Gelegenheit muss ich mal die inzwischen rostige, verzinkte Schlauchschelle durch eine aus Edelstahl ersetzen.
Die Leitungen zwischen Steuerrechner und Motoren sind Ölflex 4x0,75 Kabel von Lapp die an der Fräse in Energieketten geführt werden. Der Übergang von Ölflex auf die Anschlusskabel der Stepper-Motoren findet in kleinen Plastik-Kästchen statt, die mit 4 Schrauben an den Alu-Teilen der Stepper-Halterungen angeschraubt werden. Die 4 Schrauben dienen gleichzeitig der Befestigung der Zugentlastungen und erden den Schirm der Leitungen.
Um die Energieketten seitlich an der Fräse führen zu können, wurden Stege aus Alu am Grundkörper angeschraubt:
Da die Leitungen nach hinten zur Wand von der Fräse weg geführt werden, sich die Energiekette der X-Achse aber ebenfalls nach hinten abrollen soll um den Arbeitsraum zum Hantieren seitlich frei zu halten, mussten alle Leitungen unter der Fräse hindurch nach hinten geführt werden. Um das Ganze aufgeräumt über die Bühne zu bringen wurden neben der X -Achsen Spindel zwei Aluwinkel montiert, auf denen die Leitungen und Schläuche für das Kühlwasser der Frässpindel liegen, ohne Gefahr zu laufen, mit der Spindel zu interferieren.
Hier sind die Energieketten für X- und Y-Achse fertig montiert und alle Kabel sind verlegt. Für die Y-Energiekette wurde ebenfalls eine Führung aus Alu-Winkeln an das Portal geschraubt.
Das erste auf der selbst gebauten Fräse erstellte Werkstück ist die Rückwand für das Rechnergehäuse mit Ausschnitten für die verschiedenen Steckverbindungen. Für die Stepper-Motoren habe ich 9polige SUB-D Stecker und Buchsen mit Vollmaterial-Kontakten verwendet. Da die Spindel mit bis zu 400 V betrieben wird, bin ich hier auf einen passenden Hochvolt-Rundsteckverbinder ausgewichen. Die blaue Steckdose versorgt die Kühlwasserpumpe.
Auf dem Boden ist der Arduino Nano V3 befestigt der GRBL V1.1 beherbergt, an der Wand, unterhalb des Motherboard sitzt die Interfaceplatine.
Das Interface war bei meinem Stepper-Endstufen-Set dabei, kann aber über ebay auch einzeln erworben werden.
Fündig wird man z.B. mit den Suchbegriffen “CNC 5 Achse Schrittmotor interface”, es ergeben sich sofort einige Treffer.
Inzwischen gibt es die von mir eingesetzte und eine neuere, kleinere Version. Die alte Version hat zusätzlich Anschlüsse für Koordinatenanzeigen - die drei schmalen weißen Stecker in der Board-Mitte. Diese fehlen bei der Neuen.
Wichtig ist, dass neben den Schraubanschlüssen auch der 15polige ”Hand control”-Stecker vorhanden ist, im Bild unten der kleinere D-Sub Stecker rechts:
Die Belegung dieses Steckers muss dann noch gefunden werden. Bei einigen der Interfaces in ebay findet sich ein Link auf eine Beschreibung, aber leider nicht überall.
Zur Vereinfachung hier die Belegung bei meinem Interface:
Der sicherere Weg ist aber auf jeden Fall, die passende Belegung für das eigene Interface in Erfahrung zu bringen.
Die Bezeichnung der Pins im Stecker ist im Bild unten angedeutet:
Die drei Enable-Eingänge dürfen nicht zusammen geschaltet, sondern müssen einzeln mit jeweils einem eigenen Pin des Joystick-Controllers angesteuert werden.
Um die Arbeitsfläche auszuleuchten habe ich ein sogenanntes Angel-Eye aus der Fahrzeugtechnik verwendet. Der Ring mit LEDs wird mit doppelseitigem Klebeband mit Schaumstoffzwischenlage, sogenanntem Spiegelklebeband, an drei Stellen an der Spindelhalterung befestigt. Das doppelseitige Klebeband erlaubt Bewegungen der Halterung , sollte der Spindelmotor mal gelöst werden müssen. So erfährt die Trägerplatine der LEDs keinen mechanischen Stress.
Soweit gediehen ist die Mechanik erst einmal fertig beschrieben, jetzt ein paar Worte zur Softwareumgebung.
Zur Erstellung einer Konstruktion ist ein CAD-Programm notwendig. Ich habe mich auf die von RS components kostenfrei zur Verfügung gestellte Software DesignSpark Mechanical festgelegt. Das Programm ist geeignet zur Erstellung von 2D- und 3D-Konstruktionen und kann DXF-Dateien für 2D- und STL-Dateien für 3D-Konstruktionen exportieren.
Aktualisierung
Mit Einführung der Version 6 von DesignSpark Mechanical hat RS im Juli 2023
beschlossen, den Einsatz aller älteren Versionen zu blockieren. Im gleichen Zuge wurde der Export von DXF Dateien gesperrt und kann jetzt nur noch mit lizenzierten Versionen
von DSM durchgeführt werden. Zusätzlich wurde der Einsatz der Freeware Version auf eine einzige Installation (je IP Adresse?) eingeschränkt. Einen zweiten Benutzer für die
Lizenz auf dem Steuerungsrechner im Keller bei RS anlegen funktionierte bei mir jedenfalls nicht. Alles sehr ärgerlich und behindernd.
Ich schaue mich gerade nach einer brauchbaren Alternative um.
Nachtrag
Im Laufe eines längeren Chat mit der Servicehotline von Spaceclaim, dem Lizenzgeber von DesignSpark Mechanical, hat sich herausgestellt, dass die neue Version V6 von
DSM im kostenlosen, sogenannten Explorer Plan insgesamt zweimal auf unterschiedlichen Rechnern installiert und aktiviert, letztlich also genutzt werden kann.
Das ist für mich wichtig, da ich meine Konstruktionen nicht im Keller am Steuerrechner für die Fräse erstelle, dort aber dennoch die Konstruktion in DSM anschauen und ggf.
überarbeiten will. Seltsamerweise muss die zweite Installation im Keller als Administrator gestartet werden, läuft dann aber wie gewohnt.
Wichtig in diesem Zusammenhang: Die zweite Aktivierung wird für den Fall zur Verfügung gestellt, dass der Rechner mit der ersten Installation den Geist aufgibt und man somit auf einen neuen (Ersatz-)Rechner umziehen kann. Diese Möglichkeit habe ich mir durch die bereits erfolgte, zweite Aktivierung also genommen.
Mit Estlcam von Christian Knüll steht eine Software zur Verfügung, die die weitere Verarbeitung der von DesignSpark Mechanical erzeugten Dateien erlaubt. Estlcam generiert aus den DXF- oder STL-Dateien sogenannten G-Code, der von GRBL verstanden wird. Hat man sich für den Einsatz von Estlcam entschieden, wird eine Gebühr fällig, danach fallen die Nagscreens weg, die bei der Freeware beim Speichern erscheinen und immer längere Pausen aufzwingen.
Ich verwende die Version V8, inzwischen sind einige neuere Versionen vorhanden.
Erfreulich: Ab V10 arbeitet Estlcam auch mit GRBL zusammen, vorher hat Christian ausschließlich seinen eigenen G-Code-Interpreter unterstützt.
Im Übrigen baut Christian coole Funktionen in sein Programm ein. Immer mal wieder reinschauen! :-)
Update
Ich habe die neuen Funktionen von Estlcam V11 ausführlich getestet und bin inzwischen
auf diese Version umgestiegen. Dafür wurde wieder eine (reduzierte) Gebühr fällig, die meines Erachtens für langjährige Anwender etwas gemäßigter ausfallen dürfte.
Als weitere Software verwende ich OpenCNCPilot von Martin Pittermann. Dieses Programm stellt, neben dem reinen Streamen des G-Code, Routinen zur Verfügung, die die Abtastung einer Oberfläche und die anschließende Berücksichtigung dieser Abtastwerte bei vorhandenem G-Code erlaubt. Dieses Verfahren ist besonders sinnvoll, wenn mittels Isolationsfräsen eine Leiterplatte aus kupferkaschiertem Basismaterial hergestellt werden soll.
OpenCNCPilot ist mein Favorit zur Steuerung der Fräse, es stellt alle benötigten Funktionen zur Verfügung und hat ein sehr ansprechend gestaltetes, modernes Interface.
Die Software ist open source, der Versuch, eine Schnittstelle zu meinem Drei-Wege-Joystick in OpenCNCPilot einzubauen ist aber mangels Kenntnis der verwendeten Programmiersprache gescheitert.